Schon seit Beginn der Besiedlung waren die Schnepfauer hauptsächlich einer Naturgewalt mehr oder weniger hilflos ausgeliefert, dem Hochwasser.
Die Bregenzerache behauptete über all die Jahrhunderte fast die ganze Talebene von Schnepfau-Hirschau, die ursprünglich von einem Auwald bedeckt war, als ihr Refugium. Einmal suchte sie sich ihr Bett mehr gegen die Kanisfluh hin, ein anderes Mal nahm sie nach einem Hochwasser ihren Weg näher an den Fluren und Siedlungen. Das Bestreben der Menschen war es, sie von ihren Häusern und Gütern fernzuhalten, ja wenn möglich, ihr neues Land abzutrotzen. Die Möglichkeiten waren aber technisch beschränkt und erfordrten einen riesigen Arbeitsaufwand. Deshalb waren über Jahrhunderte alle Haushalte, Wohnstätten und Grundstücke mit der Wuhrverpflichtung belastet.
Aber auch der Höllbach (auch Hellbach geschrieben), der das Hirschberggebiet entwässert und der Dorfbach aus dem Bereich Schnepfegg, sowie die kleinen Bäche in Hirschau waren Sorgenkinder, da sie in regelmäßigen Abständen bei widrigen Wetterverhältnissen großen Schaden an den Fluren anrichteten.
Alle bis dahin bestehenden Verbauungen wurden dann vom Hochwasser des Jahres 1910 weitgehend zerstört. Auch viele der Hinterwälder Brücken - die alte Bühlerbrücke ausgenommen - wurden von den Wassermassen weggerissen. Ein Chronist berichtet, dass damals in Schnepfau nur 6 Häuser vom Hochwasser verschont blieben. In den Jahren danach wurde die Bregenzerach mit den Möglichkeiten des modernen Flussbaus verbaut. Auch die Bäche wurden zwischen massive Ufermauern gezwängt. Man fühlte sich relativ sicher. Doch dann kam das
Hochwasser 1999
Nach tagelangen Niederschlägen brach der Höllbach über die Ufer. Er überschwemmte zahlreiche Keller. Nur ein paar Tage später, die Schäden waren kaum behoben und die Räuume gerade wieder trocken, da gab es kurz vor Pfingsten weitere ergiebige Regengüsse. Wieder kam das Wasser, diesmal noch stärker und verheerender. Die Keller wurden wieder überflutet und verwüstet. Diesmal erwischte es auch unser Schulhaus, weil das Wasser über die Straße kam und sich über die Lichtschächte in den Keller ergoss. Im unausgebauten Schutzraum der Schule, einer kommunalen Rumpelkammer, stand das Wasser fast bis zur Decke. Dort aber war auch das Pfarrarchiv untergebracht und auch die Schule hatte alles, was nicht mehr täglich gebraucht wurde, dort gelagert. Das meiste fiel dem Hochwasser zum Opfer. Im Tankraum daneben riss es den fast leeren Öltank aus der Verankerung.
Nun, man räumte auf, es gab Platz und man glaubte, so etwas Schreckliches würde und dürfte sobald nicht mehr stattfinden. In einen mehrjährigen Projekt wurde mit großem finanziellen Aufwand der Höllbach neu verbaut, die alten Geschiebesperren geleert und eine neue, groß dimensionierte errichtet. Auch die Verrohrungen des Dorfbaches im Ortsteil Rimsen wurden teileise durch ein offenes Gerinne ersetzt. Die Menschen fühlten sich sicher, bis zum
Hochwasser im August 2005
Über dieses größte Schadensereignis seit Menschengedenken steht in der Schulchronik:
....Am 22. August warnte der Wetterbericht vor sehr ergiebigen Niederschlägen, verursacht durch ein riesiges Tiefdruckgebiet über der oberen Adria, welche die Gefahr von Überschwemmungen und Vermurungen mit sich bringen könnten. Doch in Schnepfau nahm man das gelassen.
Dann kam der starke, stürmische Regen. Gegen Abend schwollen die Bäche an und die Feuerwehr wurde nach Mellau zu Hilfe gerufen. Aber bald darauf brauchte man sie im eigenen Dorf. Hinter der "Mühle" rutschte der Hang ab und der Bach suchte sich einen neuen Weg. Inzwischen ging auch der Riese-Graben über und ergoss sein Wasser und Geschiebe über die Straße und bedrohte das oberste Haus. Dann ging es Schlag auf Schlag. Der Höllbach konnte das Wasser und Geschiebe der abgegangenen Muren nicht mehr fassen. Ein ganzer Bach suchte sich den Weg über die Wiesen ins Mitteldorf. Das sanierte Überlaufgerinne war voll, weil die Bregenzerach hereindrücke und das Höllbachwasser zurückstaute. Auch der Dorfbach ging östlich der Kirche über. Gegen Mitternacht schwabbte schließlich auch noch die Ache selbst im Bereich der östlichen Dorfeinfahrt über die Straße und stieß durch einen Wilddurchlass unter der Straße herein. All das Wasser sammelte sich im Bereich des Dorfplatzes zu einem riesigen See, der, als er überlief, die Keller und die Erdgeschosse der benachbarten Häuser überflutete. Aber auch im Mitteldorf und im Neugut waren Häuser und Betriebe betroffen, ja auch im Friedhof und sogar in der Kirche stand das braune, schlammige Hochwasser.
Schwer traf es auch wieder unsere erst vor wenigen Monaten fertiggestellte Schule. Im Keller war wieder alles kaputt: Heizung, Archiv der Schule, unzählige Bücher, ganze Serien von Wandbildern, Landkarten, der Steuerungs-PC und zwei Bildschirme, der Öltank wurde mit 7000 l Wasser nachgefüllt, der Keller des Schulwarts, die in Reserve stehenden Schulmöbel .... Glücklicherweise konnte der Parkettboden im Saal gerettet werden. Überflutet und verschlammt waren nur die Böden im Foyer, in der Küche und im Geräteraum. Dank der Aufmerksamkeit eines Feuerwehrmannes konnte der Server-PC und der Firewall-PC noch kurz vor dem Eindringen des Wassers vom Archivraum (= Serverraum) in den oberen Stock der Schule gerettet werden.
Obwohl sich die Wassermassen vom Neugut über die Wiesen weiterwälzten, blieb Hirschau von ihnen weitgehend verschont.
Ganz kathastrophal erwischte es aber auch die Nachbargemeinden Au, Mellau, Reuthe und Bezau., sowie das Montafon, das Klostertal, den Walgau, Lech und das kleine Walsertal. In Reuthe wurde ein Mann getötet, in Mellau und Au wurden ganze Häuser weggerissen. Überall kaputte Betriebe, Straßen, Infrastrukturen.
Beim Aufräumen halfen unsere Feuerwehrmänner, Nachbarn , fremde Feuerwehren und Einheiten des Bundesheeres aus Niederösterreich den schwer getroffenen Menschen. Die Spuren und Narben dieser Kathastrophe werden wohl noch lange zu sehen sein.
Jedenfalls ist es leer geworden in den Abstellräumen im Keller der Schule. Alte Amtsschriften, Klassenbücher und Kataloge, eine schöne Sammlung von Lebensläufen inzwischen verstorbener alter Schnepfauer, längst überholte Lehrbücher, noch aus der Zeit der Oberstufe stammende Wandbilder, nur noch historisch interessante Landkarten, ganze Regale voller ausgeschiedener Bücher, nicht mehr verwendete, verstaubte Lehrmittel und audio-visuelle Geräte, selbst ein mehr als 100 Jahre altes und noch funktionstüchtiges Harmonium und sogar die Pendeluhr, die bis vor einem Jahr die Schulglocke gesteuert hatte, all das wurde Opfer des Hochwassers und landete durchnässt und verschlammt im großen Abfallcontainer. Für manche mag das wertloser Schulmüll sein, für andere waren es Erinnerungsstücke an alte Zeiten. Ein Schulmuseum kann man jedenfalls in Schnepfau nicht mehr einrichten. So hat die Kathastrophe buchstäblich mitgeholfen, eine "neue" Schule zu werden.
Wie sich im Nachhinein herausstellte, war dieses Hochwasser vom 22./23. August 2005 mehr als ein Jahrhundertereignis. An einigen Messstellen wurden die höchsten Messwerte seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1895 verzeichnet. Den Spitzenwert erreichte Innerlaterns mit 228 mm in 24 Stunden.
Aber auch in Bizau, einer unmittelbaren Nachbargemeinde, wurden 194 mm/24Std. gemessen. Diese Niederschlagsmenge übertraf die Hochwasserereignisse von 1910 mit 156 mm und von 1999 mit 101 mm/24Std bei weitem. In Au lag der Messwert bei 214 mm/24Std. (1999 waren es "nur" 153 mm und 1910 170 mm) Für Schnepfau, das über keine Messstelle verfügt, dürften die Werte irgendwo dazwischenliegen, also bei etwa 200 mm.
Infolge dieser sintflutartigen Regenfälle stiegen die Abflusswerte bei allen Hauptgewässern des Landes in kürzester Zeit dramatisch an. Alle Flüsse hatten Extremabflusswerte wesentlich über einem der 100jährlichen Hochwässer. Die Bregenzerach übertraf in Mellau mit 430 m3/s den Abflusswert des Jahres 1999 (390 m3/s) wesentlich. Statistisch liegt diese Abflussmenge bei einem 1000jährlichen Ereignis.
Ob es wirklich 1000 Jahre gehen wird, bis das nächste große Wasser kommt? Auf jeden Fall muss dem Wasser in den Flüssen und Bächen mehr Platz geschaffen werden. In Schnepfau wurde damit bereits begonnen.